Opa Syrings Heringssalat - Dankbarkeit

Porträtfotografin Ingrid Hagenhenrich hat sich mit Ulrike Rehbein bei ihr zu Hause in Münster verabredet. Die Mutter sitzt mit Henriette, der älteren ihrer beiden Töchter, am Küchentisch, zeigt ihr, wie man den Familienheringssalat macht, und erzählt den beiden in aller Ruhe die Geschichte des Rezepts: Ursel, Ulrikes Tante aus Stade, hat sie ihr erzählt.

Ulrike und Henriette Rehbein bereiten Opa Syrings Heringssalat vor. Aus Dankbarkeit geboren wurde er zu einem wichtigen Traditionsrezept der Familie.
 
Ursels Vater, der Bäcker und Konditor Kurt Syring, war 1943 als Koch in Wladiwostok auf der Krim stationiert. Er wollte aber nur eines: nach Hause. Jemand hatte ihm erzählt, dass man Gelbsucht bekäme, wenn man viel Speck auf nüchternen Magen isst. Als er erfuhr, dass bald ein Lazarettzug in Richtung Heimat fahren würde, versuchte er sein Glück. Er organisierte bei einem Bauern genügend Speck für sich und drei seiner Kameraden. Und tatsächlich erkrankten alle vier nach dessen Verzehr an Gelbsucht, kamen ins Feldlazarett und wurden in besagtem Lazarettzug nach Rendsburg transportiert, um zu genesen. Dort verloren sich die Kameraden aus den Augen. Kurt aber konnte seine Frau anrufen und sie bitten, den drei Ehefrauen die Nachricht über ihre Rückkehr nach Deutschland zu übermitteln. Das tat sie dann auch.
 
Kurt Syring hat sich offenbar nicht nur beim Angeln geschickt angestellt. In Kriegszeiten hat er wohl mit einem Stück Speck und einer gewitzten Idee drei seiner Kameraden und sich selbst das Leben gerettet.
  
Eines Tages klopfte es bei den Syrings an der Tür, Ursel machte auf, vor ihr stand eine große, sehr heruntergekommene Gestalt, die sie im Zwielicht für einen Mann hielt. Tatsächlich entpuppte sie sich als eine der drei Ehefrauen der geretteten Männer mit einem großen Rucksack auf ihrem Rücken. Sie hieß Frau Kick und hatte darin auf einer abenteuerlichen dreitägigen Reise ein Fass Salzheringe von Kiel nach Stade getragen. Mit den eigenhändig eingelegten Fischen wollte sie sich bei der Familie für die Rettung ihres Mannes bedanken und löste damit große Freude aus. Denn die Not war groß und Salzheringe eine echte Kostbarkeit. Ulrike berichtet: „Meine Mutter hat mir erzählt, dass Frau Kick erst einmal gebadet hat und dann neu eingekleidet wurde. Sie ist drei Tage bei den Syrings geblieben und alle haben sehr viel zusammen gelacht! Frau Kick war wohl eine sehr Lustige!“ In der leerstehenden Backstube der Familie bereitete die Mutter, unter genauer Anleitung von Frau Kick und mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Freundinnen, aus den Salzheringen große Mengen an Heringssalat zu. Die meisten Zutaten dafür hatten sie im eigenen Garten. Sie verkauften den Salat an den Regeln für Essensmarken vorbei heimlich unter der Theke in einem Lebensmittelladen, der gerade nebenan eröffnet worden war. Sie hatten Glück: Niemand verriet sie und der Heringssalat bescherte vielen Leuten ein kleines Stückchen Glück. Seit Opa Syrings Heimkehr 1945 gibt es diesen Heringssalat in der Familie Syring traditionell zu Silvester.
Auf Ingrids Frage nach ihrem persönlichen Bezug zum Rezept antwortet Ulrike: „Ich kannte es aus einer handgeschriebenen Kladde meiner Mutter. Die Geschichte dazu erfuhr ich aber erst kürzlich, als ich meine Tante direkt danach gefragt habe.“ 

Ulrike hat das Rezept für den Heringssalat in einer handgeschriebenen Kladde notiert.
 

Henriette konnte sich nie so richtig mit dem Heringssalat zum Jahreswechsel anfreunden. Aber nachdem sie ihn nun zusammen mit der Mutter selbst gemacht hat und diese Geschichte kennt, könnte sich das vielleicht ändern.

Wie man die Salzheringe ausnimmt, hat Ulrike von ihrer Mutter gelernt und nun zeigt sie es ihrer Tochter.
  

 

Ulrike und Henriette probieren Opa Syrings Heringssalat: Salzhering und alles, was der Gemüsegarten hergibt.
  

Opa Syrings Heringssalat

Für 4 Portionen

Salat:
·3 unausgenommene Salzheringe
·2 gekochte rote Bete
·1 Stück gekochter Knollensellerie
·2 gekochte Kartoffeln
·1 saure Gurke
·2 kleine süß-saure Äpfel
·2 hart gekochte Eiweiß
·1 große Zwiebel
·2 EL Kapern
·Milch zum Einlegen
 
Soße:
·2 hart gekochte Eigelb
·6 EL Erdnussöl
·4 EL Rotweinessig
·frisch gemahlener Pfeffer
·1 EL Senf
 
Für den Salat die Heringe ausnehmen: Den Schwanz abschneiden. Den Bauch vom Pupsloch her bis zum Kopf hin aufschneiden. Vorsichtig mit den Fingern Milchner und Rogen ablösen. Den Kopf vom Nacken abtrennen. Den Bauch vorsichtig öffnen. Die Mittelgräte mit der linken Hand vom Schwanz her rausziehen, dabei mit einem Messer in der rechten Hand das Fischfleisch runterdrücken. Die Gräte mit der Hand bis zum Hals rauslösen.
Den Fisch in zwei Teile teilen. Die Haut vom Schwanz her mit der Hand ablösen, dabei das Fischfleisch mit dem Messer herunterdrücken, und die Filets rauslösen. Gräten und evtl. Nackenfett entfernen. Die Heringsfilets sowie Milchner und Rogen getrennt 3−4 Stunden in Milch einlegen. Währenddessen Rote Bete, Sellerie, Kartoffeln, Gurke, geschälte Äpfel, Eiweiß und geschälte Zwiebel würfeln. Danach vom Rogen die Fäden abziehen und ihn mit der Gabel zerdrücken. Durch ein Teesieb streichen. 


Für die Soße das Eigelb zerdrücken und mit Milchner und Rogen vermengen, das Eiweiß für den Salat beiseitelegen. Mit Öl, Essig, Pfeffer und Senf zu einer Soße verrühren. Die Salatzutaten mit der Soße vermengen und den Salat abschmecken. Für zusätzlichen Geschmack Kalbsbratenwürfel und Fleischextrakt zugeben. Der Heringssalat hält sich im Kühlschrank über eine Woche.
 
SCHON GEWUSST?

TIPP
Schneller geht’s in der Saison mit Matjesfilets. Damit schmeckt der Salat auch wunderbar!